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Kythings

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Gedankenexperimente

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Episode 001

 

Calamity Podcasts präsentiert:

Eins-Zu-Eins Mit Meinem Schöpfer | Episode 001

(Ein offenes Gespräch zwischen Romanfigur und Autor. Das Thema: The Ouranian Chronicles Series— kurz OC. Simulations-Skript-Format.)

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Bildnachweis: Das Bild wurde von Pit Xeno in MidJourney erstellt, mit Unterstützung von Casey Carpenter,

verbessert und retuschiert von Arnold Hermann.

 

Kayin: „Willkommen ‘Zum Letzten Schlamassel’—der Taverne am Ende der Zeit! Mein Name ist Kayin, der Ariole, und ich bin euer Gastgeber für dieses experimentelle Podcast-Format. Wir wollen herausfinden, wie die kommende True Fiction-Serie The Ouranian Chronicles entstanden ist, weshalb sie geschrieben wurde und für wen—einschließlich Hintergrundinformationen und Geheimnisse über die Charaktere, die in den Büchern nicht vorkommen. Außerdem sollte ich offenlegen, dass ich die männliche Hauptrolle in der Serie spiele.

 

Ich freue mich, dass wir auch die Teilnahme des Autors des Werks, Arnold Hermann, dafür gewinnen konnten. Willkommen zu unserer Premiere! Ich hoffe, unser bescheidenes Design gefällt dir. Es war nicht einfach, das Layout einer Bar zu entwerfen, die sich am Ende der Zeit befindet.“

 

Arnold: „Auf dieser Seite des Endes. Eine kleine Oase, doppelt geparkt neben dem Pfeil der Zeit.“

 

Kayin: „Ja. Unsere Version einer simulierten Zuflucht vor der Zeit.“ 

 

Arnold: „Ich freue mich hier zu sein, wo auch immer hier ist. Mir gefällt, was ihr aus diesem Ort gemacht habt. AušrinÄ—s Handschrift ist deutlich erkennbar. Eisbären und ausgestopfte Krokodile.“

 

Kayin: „Zuerst mal eine grundsätzliche Frage: Was hat dich dazu bewogen, die Ouranian Chronicles zu schreiben?“ 

 

Arnold: „Nun, in erster Linie wollte ich die Geschichte einer vergessenen Welt erzählen. Unserer Welt, aber aus der Sicht von jemandem, dessen Erinnerungen während unserer Zeit auf dieser Erde treu und wahr geblieben sind, nicht verzerrt durch Kultur und gesellschaftlichen Druck … von Scham und Reue ganz zu schweigen …“

 

Kayin: „Mit anderen Worten, aus meiner Sicht? Aber als Kayin komme ich dafür wohl kaum in Frage, oder? Hör dir nur die schrecklichen Dinge an, die man über den, den sie Kain nannten, gesagt hat. Für die meisten ist er der schlimmste Mensch, der je gelebt hat.“​

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Bildnachweis: Skulptur des Kain von Giovanni Dupre, Staatliches Eremitage-Museum, St. Petersburg, Russland.

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Arnold: „Kain ist dein Namensvetter. Angeblich dein Alter Ego. Er ist ein perfekter Prügelknabe. Die Welt braucht jemanden wie Kain. Er ist der Maßstab für das Schlimmste in uns. Aber wer sagt, dass die Geschichten über ihn wahr sind? Sollten wir sie nicht mit einer gehörigen Portion Vorsicht geniessen? Überleg doch mal: Wer profitiert eigentlich davon, dass Kain der Bösewicht ist—als ethische Lektion? Sein Gott? Oder die Menschheit?“ 

 

Kayin: „Es ist nicht leicht, als der Bösewicht der Welt zu gelten.“

 

Arnold: „Nichts leichter als das, vor allem, wenn es keinen solchen Bösewicht gibt. So leicht lasse ich die Welt nicht davonkommen. Schau, es geht hier nicht nur um dich und die schlecht informierten Meinungen einiger Leute. Diejenigen, die diese Geschichte verbreiteten, hatten eine Absicht. Absichten verstecken sich am liebsten hinter Propaganda. In meinen Forschungen als Philosoph wurde mir schmerzlich bewusst, dass der größte Teil unserer Geschichte fiktionalisiert ist. Ganz zu schweigen von den gewaltigen Lücken in den Erzählungen. Als ob unsere menschliche Geschichte von allen unbequemen Fragen bereinigt wäre. Die einfache Lösung bestand darin, einen Sündenbock zu finden, dem man die Schuld geben konnte, damit der Rest von uns weitermachen konnte. Ganze Generationen hatten ihre Finger im Spiel bei diesem Täuschungsmanöver. Ich bin kein Fan von Verschwörungen, aber wenn es jemals so etwas wie ein weltweites Komplott gegeben hat, dann ist es die Verschwörung des Beschuldigens und Vergessens. Beschuldigen, um zu vergessen.“ 

 

Kayin: „Du hältst nicht viel von einer Gesellschaft, die das Vergessen verherrlicht. Das ist ziemlich eindeutig.“

 

Arnold: „Danke. Das fasse ich als Kompliment auf.” 

 

Kayin: „Die Ouranian Chronicles sind also eine Art Gegenmittel gegen unsere selbst auferlegte Amnesie? Aber wenn die Dinge, die verdrängt werden, so beschämend und bedauernswert sind, wie du sagst, macht das die Lektüre nicht schwierig? Warum sollte man sich an schmerzhafte Dinge erinnern wollen?“

 

Arnold: „Ah, wegen der Schönheit der beteiligten Charaktere. Ihr seid da, um die Medizin zu versüßen. Du, AušrinÄ— die Rothaarige, Prinzessin Setenay, die tapfere Niyne, die feenhafte Y'lira, und Kato. Außerdem die Grossmutter der Träume, Ao, der einäugige Wu-Meister, Valerius der Thraker, der Sami Aanaar, Bias der Weise, der Krieger-Poet Archilochus, Kyniska von Sparta, die unbesiegbare Khawlah bint al-Azwar, sowie die Triumviri, Iris, Reginald, und Alarcon; außerdem Lady Dar, Ono no Komachi, die kleine Proxima ...“

 

Kayin: „Sogar Stalin?“ 

 

Arnold: „Ja, sogar der Mann, der als Joseph Vissarionovich Jughashvili bekannt ist. Wie kann ich ein umfassendes Werk schreiben und einen der meistgefürchteten Männer der Welt auslassen? Wie kann ich auf Kain anspielen, aber über Stalin schweigen? Als Philosoph hatte ich keine andere Wahl, als zu versuchen, die menschliche Seite dieses Mannes auszuloten, um herauszufinden, wie er tickte. Ich war auf der Suche nach einem anderen Maßstab. Den dunkelsten, den ich mir vorstellen konnte. Vergiss nicht, mein eigener Vater war ein Opfer des Stalinismus und landete als Gefangener in einem Zwangsarbeitslager an der Schwarzmeeresküste. Obwohl er genauso sterblich war wie seine Opfer, war Stalin zu Ungeheuerlichkeiten fähig, die der Rest von uns nicht begreifen, geschweige denn nachvollziehen kann. Dennoch wurde der Mann von Kato, seiner ersten Frau, bedingungslos geliebt. Als er noch Soso war—Jahre bevor er zu Stalin wurde. Ich stand an ihrem Grab in Tbilisi. Ich betrachtete ihre sanften Züge, die auf dem Marmorstein eingraviert waren, und dachte über das Wunder der unschuldigen Liebe nach ... Warum erkannte sie nicht das Monster, das hinter seinen bernsteinfarbenen Augen lauerte? Ich musste ihre Geschichte erzählen … damit sie nicht vergessen geht.“​​​​

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Bildnachweis: (Links) Ekaterine "Ketevan / Kato" Svanidze, Stalins erste Frau, ca. 1904, Wikipedia. (Rechts) Der junge Stalin, ca. 1902, Wikipedia. Ursprünglich, Archiv der georgischen MIA-Akademie, II. Abteilung, ehemals IMEL-Archiv [SShSSA]; reproduziert in Stalin:
Auf dem Weg zur Revolution. Princeton University Press, 1. Auflage, 2020.

 

Kayin: „Auch wenn uns einiges davon unangenehm ist … ?“

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Arnold: „Tut mir leid, aber das ist Teil der Propaganda. ‘Wenn du an dieses oder jenes denkst, wirst du dich schlecht fühlen. Denk also an etwas anderes.' Das ist die Lüge. Es ist ein Ablenkungsmanöver. Aus diesem Grund fühlen sich manche Menschen manipuliert. Sie spüren, dass man ihnen nicht die ganze Wahrheit gesagt hat. Deshalb suchen so viele nach Wegen, um 'sich selbst zu finden', um herauszufinden, wer sie wirklich sind, wie und warum sie hier aufwachten und was sie in dieser Welt als Nächstes tun sollen. Mir wurde klar, dass die konventionelle philosophische Weisung 'Erkenne Dich Selbst' nur dann gültig ist, wenn der Teil 'dich/sich selbst zu erkennen' irgendwie verschleiert oder verzerrt wurde. Es ist, als ob wir ein funktionierendes GPS hätten, aber die falsche Adresse erhalten haben. Egal, wie oft wir versuchen, dorthin zu gelangen, wir scheinen nie am richtigen Ort zu landen.“

 

Kayin: „Ich glaube, du hast irgendwo geschrieben, dass die Menschen nicht nach ihrem wahren Selbst suchen, sondern nach ihrer Seele.“ 

 

Arnold: „Wie können wir nicht wissen, was wir sind? Denk mal darüber nach! Es gibt offensichtlich kein anderes Du, das in dir lebt und Seele genannt wird. Ich habe die vorherige Frage aus dem Film 'Blade Runner' geborgt, da sie uns vor ein interessantes Rätsel stellt. In Bezug auf ein biotechnisch hergestelltes Individuum—das sich nicht bewusst ist, dass es unnatürlich gezeugt wurde—fragt die Hauptfigur Deckard: ‘Wie kann es nicht wissen, was es ist?’ Sag mir, warum es akzeptabel ist zu fragen, wie ein 'Ding'—das sonst mit der Fähigkeit zu wissen ausgestattet ist—nicht in der Lage ist, sich selbst zu kennen, dass es aber nicht akzeptabel ist, die gleiche Frage auf uns selbst anzuwenden!“  

 

Kayin: „Du sprichst von Rachel, der Figur, die als Replikant bekannt ist. Sie war aus Fleisch und Blut wie Menschen, aber mit genetisch verbesserten Fähigkeiten.“ 

 

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​​​​​​​Bildnachweis: Aus dem Film "Blade Runner" (1982), Internet.

 

 

Arnold: „Es ist falsch, solche Individuen als Dinge zu betrachten, aber bezeichnenderweise tut Deckard das. Wegen der philosophischen Implikationen würde ich mich lieber auf unsere eigenen Unzulänglichkeiten konzentrieren. Wir haben die Fähigkeit, potenziell alles zu wissen, aber nicht, was wir sind. Weshalb ist das so?“ 

 

Kayin: „Willst du damit sagen, dass wir diese nebulöse Idee der Seele übernommen haben, um unsere Unwissenheit zu verschleiern? Nichts anderes als ein Ablenkungsmanöver oder, schlimmer noch, ein Feigenblatt für unsere Ignoranz?“

 

Arnold: „Die Seele hat viele verschiedene Bedeutungen. Sie kann eine Schattenversion des Selbst sein, die den körperlichen Tod überlebt, oder der Atem einer Gottheit, die einen Körper belebt, oder ein einzelnes noetisches Wesen, das als Teil einer noetischen Gruppe eine bestimmte Funktion erfüllt. Die letztgenannte Konfiguration ist in einigen schamanischen Glaubensvorstellungen weit verbreitet.“

 

Kayin: „Du meinst besondere spirituelle Wesen, wie 'Körperseele', 'wandernde Seele', 'wahre Seele', 'Schattenseele', usw.“

 

Arnold: „Ich ziehe es vor, von solchen Wesenheiten als 'noetisch' zu sprechen, da der Begriff Geist genauso viel Ballast mit sich bringt wie Seele. 'Noetisch' bezeichnet eine geistige oder intellektuelle Aktivität, die als getrennt oder sogar als unabhängig wahrgenommen werden kann. Wie das eigene Gewissen. Wie sonst sollten wir zum Beispiel Sokrates' Daimon erklären? Die Stimme in seinem Kopf, die ihn davon abhält, etwas Verwerfliches zu tun. Ich würde mich also eher auf die schamanische Version des 'Seelen'-Konzepts einlassen, weil die Idee der Aufgabe oder des Zwecks betont wird.“

 

Kayin: „Ja, du hast den funktionalen Aspekt der Seele in der OC hervorgehoben, vor allem ihre Rolle als Vermittlerin.“

 

Arnold: „Nur um einige der typischen Ungenauigkeiten auszuräumen, die damit verbunden sind. Die Seele wurde schon viel länger als Schnittstelle zu einer anderen Welt betrachtet, als dass sie als eigenständiges Wesen diente—wir haben sie nur nicht so genannt. Stattdessen haben wir sie zu einer Sache gemacht, die wir besitzen und deshalb auch verlieren oder verkaufen können. In der OC geht es aber in erster Linie um das Selbst, wer wir sind, woher wir kommen und weshalb wir hier sind. Trotzdem hattest du Recht mit deiner Frage, ob die Seele eine Art Feigenblatt ist. Ich würde sagen, die Seele ist eine Maske, hinter der wir uns verstecken … vor uns selbst. Das ist bequemer, als zuzugeben, dass wir keine blasse Ahnung haben, wer wir sind.“

 

Kayin: „Warte! Ist das die wahre Bedeutung von Masks of God (Die Masken Gottes), dem Titel von Band 1? Ich dachte, der Name bezieht sich auf den Geheimen Orden der Todesengel, die im 14. Jahrhundert die Sexsklaverei bekämpften. Hat man diese tscherkessischen Krieger-Nonnen nicht gezwungen, ihre außergewöhnliche Schönheit zu verbergen?“

 

Arnold: „Das Konzept der Masken Gottes hat mehrere Bedeutungen, die Leserinnen und Leser im Lauf der Erzählung entdecken werden. Mein übergeordnetes Ziel war es, auf das größte Geheimnis von allen hinzuweisen.“

 

Kayin: „Dass wir nicht von dieser Welt sind?“

 

Arnold: „Noch grundlegender. Es geht um unser größtes Versagen als menschliche Wesen. Sag mir, wie kommt es, dass wir nach 10.000 Jahren Zivilisation Menschen auf den Mond bringen konnten und dennoch nicht einen Zentimeter näher am Verständnis unserer Selbst sind als zu Beginn unserer seltsamen Reise? Weshalb sind wir nicht in der Lage, etwas so Alltägliches wie das 'Bewusstsein' zu erklären—obwohl wir es alle haben, wir alle es teilen—und es sogar unser universellstes Merkmal ist! Es macht uns zu dem, was wir sind ... aber wer sind wir? Deshalb habe ich mich auf ein ungewöhnliches Gedankenexperiment eingelassen: unsere Geschichte mit den Augen von jemandem zu erzählen, dessen Bewusstsein von seinem eigenen Selbst nicht manipuliert wurde. Von deiner Warte!“ 

 

Kayin: „Meiner? Des Brudermörders? Des ersten Mörders—die eines neidischen Mannes, der seinen eigenen Bruder tötete, weil er seine Eifersucht nicht im Zaum halten konnte?“ 

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Bildnachweis: "Kain erschlägt Abel" (1603) von Jacopo Palma Jr., 1548-1628.

 

Arnold: „Allem Anschein nach ist es eine moralische Geschichte. Mehr nicht. Jeder hätte in einem solchen Fall als Bösewicht herhalten können. Schließlich sollten wir an dieser Stelle der Geschichte mit der Erbsünde verflucht worden sein, der Sünde, zu viel zu wissen. Nein, ich überlasse es anderen, diese Version von Kains Geschichte zu erzählen, wenn ihnen die Lektion passt. Aber du, du bist Kayin, der Speermacher, ein Schmied—und der Grund, weshalb ich in deinem Fall die alte Schreibweise benütze. Was uns die ganz frühen Schriften sagen ist, dass du den Ackerbau, das Sesshaftmachen und das Leben in Städten erfunden hast. Du, mein Mann, repräsentierst die ungeschriebene Geschichte. Es gibt zwei Aspekte deines Charakters, die weitaus faszinierender sind als die übliche Sichtweise. Der erste betrifft deine Berufung als Bauer, im Gegensatz zu der deines 'Bruders', des Hirten. Euer Bruderzwist ist nur eine vereinfachte Version eines viel größeren Konflikts—der größte Kampf im Lauf der menschlichen Entwicklung, der begann, als wir noch Jäger und Sammler waren. 

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Bildnachweis: Höhle von Lascaux, Frankreich. Bild verwendet unter Lizenz von stock.adobe.com

 

200.000 Jahre lang begnügten wir uns damit, auf der Suche nach Nahrung und Unterschlupf umherzuziehen, nie an einem Ort zu bleiben und uns immer wieder von Klimaveränderungen und Nahrungsknappheit treiben zu lassen. Dann, vor etwa 12.000 Jahren, kam es zu einer wundersamen Entwicklung. Die eigentliche Geschichte, die wir uns erzählen sollten, ist zweigeteilt: Sie beginnt mit der Entdeckung des Ackerbaus auf der einen Seite, und der Domestizierung von Tieren auf der anderen.“  

 

Kayin: „Mit Ausnahme der Hunde. Die wurden schon viel früher domestiziert.“

 

Arnold: „Das solltest du wissen—aus deinem Leben als Kariru, der Fernsucher. Aber ich spreche von der Zähmung wilder Rinder, Schafe, Ziegen, Wildschweine, und so weiter, einschließlich der gezielten Zucht, die vor etwa 11.000 Jahren begann. Aufgrund der veränderten Bedingungen gegen Ende der großen Eiszeit haben die Menschen begonnen sich in zwei Lager aufzuteilen. Der Einfachheit halber könnten wir sie Kains und Abels nennen. Die biblische Geschichte der beiden Brüder ist eine vereinfachte Version für einen Konflikt von weltweitem Ausmaß. 

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​​​​​Bildnachweis: Archäologische Stätte Göbekli Tepe - Virtuelles Museum.

 

Sollen wir das Leben von Nomaden und Hirten führen, die durch den Wechsel der Jahreszeiten immer wieder vertrieben werden? Oder sollten wir versuchen, selbst den härtesten Wintern zu trotzen, indem wir unsere Unterkünfte befestigen und Vorräte anlegen, damit wir unsere Anbauflächen wieder bewirtschaften können, wenn die Tage länger werden und die Erde aus ihrem eisigen Schlummer erwacht? Es ist diese Frage, die mehr als jede andere unseren Anfang geprägt hat. Und du, Kayin, verkörperst sie, nicht Kain.“

 

Kayin: „Wie das? Ich wurde nicht nur als Brudermörder dargestellt, sondern auch als der vollkommene Ausgestoßene, ein verfluchter Mann, der gezwungen ist, ohne Rast durch die Welt zu ziehen.“

 

Arnold: „Das ist die wunderbare Besonderheit deiner Existenz und einer der Gründe, weshalb ich mich zu deiner Figur hingezogen fühlte. Das Gleichnis vom 'Brudermörder' deutet eigentlich darauf hin, dass Kain durch den 'Mord' an seinem Bruder gezwungen war, zu Abel zu werden—wenn auch nicht auf Kosten der einen Lebensweise gegenüber der anderen. Die Lektion hier ist existenziell, denn sie spricht an, wer wir geworden sind, nämlich die zivilisierte Menschheit, die eine andere Art von Menschheit ist als die Jäger und Sammler Menschheit. So anders, dass wir genauso gut auf einem anderen Planeten leben könnten.“

 

Kayin: „Mit anderen Worten brauchen wir das Siedler-Gen, um unsere Städte, Universitäten, Krankenhäuser und Institutionen zu bauen, um die Wissenschaft zu fördern, damit wir Raumhäfen und Raketen bauen können ...“

 

Arnold: „Ja. Aber nicht mehr, als wir das Nomaden-Gen brauchen, um tatsächlich nach den Sternen zu greifen. Jeder Astronaut ist im Herzen ein Entdecker, der vor Neugier brennt, was sich hinter dem nächsten Hügel, dem nächsten Berg, dem nächsten Planeten verbergen könnte.“

 

Kayin: „Du sagst also, um zivilisiert zu werden, müssen wir beides sein: Siedler und Nomaden, Bauern und Hirten, Anbauer und Züchter—Kains und Abels.“ 

 

Arnold: „Ganz genau. Kain wurde nicht nur als 'Mann ohne Land' dargestellt, der ins finstere 'Nod,' dem Land des ewigen Wanderns, verbannt wurde, von dem nur gesagt wird, dass es 'östlich von Eden' liegt. Vielmehr ist er als Kayin auch der erste Städtebauer der Welt, der diese erste Bastion der Zivilisation nach seinem ersten Sohn 'Henoch' benannte.“ 

 

Kayin: „Aber in der OC distanziere ich mich von der biblischen Erzählung. Vor allem, als Setenay Silbermaske sich nach meinem Ruf als Brudermörder erkundigt. Ich verleugne die Behauptung nicht ganz, aber ich bejahe sie auch nicht.“

 

Arnold: „Weil es ein Mythos ist, oder vielmehr eine biblische Abhandlung, die eine viel ältere Legende vereinfacht, die in dem sumerischen Gedicht 'Inanna' bevorzugt den Bauern erzählt wird. In dieser früheren Version wird die Göttin Inanna sowohl von dem Hirten Dumuzid als auch von dem Bauern Enkimdu umworben. 

 

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                        Bildnachweis: (Links) Inanna empfängt Opfergaben" auf der Uruk-Vase, ca. 3.200-3.000 v. Chr. Wikipedia-Link.

(Rechts): „Terrakotta-Figur eines Priesters". Babylonisch. Mittlere Bronzezeit, 2.000 v. Chr., Museum of Fine Arts, Boston.

 

 

Anfänglich bevorzugt die Göttin den Bauern und seine Ernte, doch ihr Bruder Utu überzeugt sie, dass der Hirte mehr zu bieten hat als der einfache Bauer. Niemand stirbt in dieser Geschichte. Nach der Hochzeit von Dumuzid und der Göttin werden er und Enkimdu Freunde, und sie tauschen sogar Geschenke aus. Meiner Meinung nach ist dies das moralisch weitaus bessere Ende der Geschichte, denn es betont, dass Ackerbau und Viehzucht für die Menschheit gleichermaßen wichtig sind. Aber auf den ersten Blick haben wir es in beiden Versionen mit dem Versuch eines Hirten und eines Bauern zu tun, von einem Gott bevorzugt zu werden, wobei der Hirte am Ende den Wettbewerb gewinnt.“ 

 

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Bildnachweis: „Inanna und Dumuzid", ca. 14.-12. Jahrhundert v. Chr., mittel-elamitische Periode. Abteilung für Vorderasiatische

Altertümer des Louvre, Paris. https://anatolianarchaeology.net/is-there-a-figure-named-ayaz-ata-in-turkish-mythology/

 

 

Kayin: „Ist das der Grund, weshalb ich Setenay die Geschichte von Innana erzählte? Ich habe mich mit den Anspielungen auf Kain und Abel nie wohl gefühlt.“  

 

Arnold: „Ich wollte nicht, dass du dich in biblischen Disputen und anderen Minutien verzettelst. Setenay ist in ihrer Rolle als tscherkessische Prinzessin aus dem 14. Jahrhundert, die den Ta shkho anbetet, ohnehin heidnisch als Anhängerin der alten Adyge-Religion. Deine Figur sollte sich über doktrinäre Kontroversen erheben—ähnlich wie Tengri’s Gans über den Gewässern der Zeit schweben. Wie ich schon sagte, gibt es noch einen zweiten Aspekt, der mit Kayins Persona verbunden ist, und der philosophisch weitaus interessanter erscheint als der allegorische Brudermörder-Aspekt.“

 

Kayin: „Meine Berufung als Chronologe. Als Zeuge der Menschheit zu dienen.” 

 

Arnold: „Genau. Dieser Aspekt wird sogar in der biblischen Erzählung angedeutet. Kain/Kayin, dazu verdammt, ewig zu Wandern, ewig auf der Flucht zu sein, wird nicht nur Träger des göttlichen Zeichens, sondern gleichzeitig Zeuge der Auswirkungen seines Verbrechens. Seine Rolle als Verkörperung einer exemplarischen Warnung fordert von Kain, als Kayin durch die Welt zu ziehen. Seine Geschichte ist ein warnendes Beispiel: 'Tut nicht, was ich getan habe!'—was nur funktioniert, wenn die Warnung von Generation zu Generation weitergegeben wird. In diesem Sinne ist Kayin zur Unsterblichkeit verdammt—zumindest scheinen zahlreiche theologische Kommentare darauf hinzudeuten. Papst Innozenz III. ging sogar so weit, Kayins Unsterblichkeit zum Bestandteil der Kirchenlehre zu machen. In seiner Bulle Ut esset Cain ('Kain zu sein') aus dem Jahr 1208 behauptet Innozenz: „Gott befahl Kain, für immer und ewig auf der Erde umherzuziehen, um Reue zu üben für den Mord an seinem Bruder Abel." Abgesehen von der verwerflichen antisemitischen Polemik der päpstlichen Bulle, die alle Juden mit dem Brudermörder gleichsetzt, hat mich natürlich der Aspekt der Unsterblichkeit angesprochen. Kain ist nicht nur der erste Sünder (nach dem Fall), sondern auch der einzige Gesetzesbrecher, der für seine Sünde mit der Unsterblichkeit und nicht mit dem Tod belohnt wird. Das ist signifikant.” 

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Bildnachweis: Unbekannt. Von http://www.fuldaer-nachrichten.de/?p=165890

 

 

Kayin: „Aber du lässt mich in den Ouranian Chronicles sterben, genau wie alle anderen auch! Nur meine Erinnerungen werden jedes Mal wieder hergestellt.“

 

Arnold: „Ich wollte einen Roman schreiben für denkende Menschen auf die Art von Platons Dialogen, keine magische Fantasie. Dafür gibt es in der antiken griechischen Philosophie genügend Beispiele, wie man ein solches Wunderwerk vollbringen kann. Die Fähigkeit Pythagoras, sich an seine früheren Leben zu erinnern, bietet uns hier eine interessante Lösung zu diesem Problem. Ursprünglich als Aethalides, Sohn von Gott Hermes, geboren, konnte er von seinem göttlichen Vater keine Unsterblichkeit erlangen, da seine Mutter, Eupolemeia, sterblich war. Also bat er Hermes um das Nächstbeste: die Fähigkeit, seine Erinnerungen von Leben zu Leben zu bewahren. 

 

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Bildnachweis: (Links) Pythagoras, römischer Marmorkopf (49.3 cm), nach einem griechischen Originalkopf aus der Mitte

des 5. Jahrhunderts v. Chr. Sammlung Giustiniani, sodann die Sammlung Albani. Kapitolsmuseum, Saal der Philosophen

(Sala dei Filosofi). Foto von Giovanni Rinaldi für Parmenides Publishing.

    (Rechts) Detail von Hermes auf der Vorderseite des Euphronios-Kraters (515 v. Chr.), im Metropolitan Museum of Art,

September 2007; archaisch signiert von Euxitheos, als Töpfer; signiert von Euphronios, als Maler.

https://www.ipernity.com/doc/laurieannie/24392025

 

 

Nach seiner Wiedergeburt als der trojanische Held Euphorbus, gefolgt von Leben als Hermotimus und Pyrrhus, kommt Aethalides schließlich als Pythagoras zur Welt und kann sich immer noch an alles erinnern. Dies schien mir eine attraktive Erklärung dafür, wie Kayin sowohl als ewiger Flüchtling wie auch als Zeuge wichtiger historischer Ereignisse fungieren könnte, und mit der Zeit zum unparteiischen Chronologen von Übertretungen der Menschheit und bedeutender Umbrüche wird, die unsere Entwicklung kennzeichnen. Weil Kayin alles gesehen hat, ist seine Neutralität moralischer Natur und der Grund, weshalb ich ihn zum Skeptizismus hinziehen lasse, der die Fähigkeit lehrt, Urteile auszusetzen. Nicht weil es ihm an einem moralischen Zentrum mangelt, sondern weil die Erinnerungen, die er in so vielen Leben ansammelte, es ihm erlauben, die Motive und Fehlverhalten der Menschen besser als jeder andere zu verstehen.“  

 

Kayin: „Du nennst diese Geisteshaltung wohlwollender Skeptizismus? Und bist einer seiner Verfechter?” 

 

Arnold: „Ja, hier ist ein biografischer Charakterzug, oder besser gesagt, meine eigenen Aspirationen in deinen Charakter eingeflossen. Ich konnte einfach nicht widerstehen.“  

 

Kayin: „Mit anderen Worten hast du Kains rastloses Umherstreifen in zielgerichtete Wanderungen umgewandelt. Du gabst mir eine spezielle Mission. Ich wurde Zeuge der Menschheit, jedoch mit einem Überblick aus 10.000 Meter Höhe. Was mich zum Zeugen Gottes machen würde, wobei meine Skepsis diese Vorstellung ausschliesst. Hast du mich deshalb mit dem Ewigen Juden verglichen—später, als Setenay wissen wollte, wer ich bin?“

 

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​                                     Bildnachweis: „Der wandernde Jude, Illustration von Gustave Doré, 1856.

 

Arnold: „Nun, dem Ewigen Juden wird ja auch nachgesagt, dass er unsterblich ist—zumindest auf seine Weise, wenn auch nur, um bis zur Wiederkunft Zeugnis abzulegen. Du hingegen bist der leidenschaftslose Zeuge für den Numen, eine jenseitige Präsenz, die dich auf deinen Wanderungen begleitet. Dasselbe Wesen, das deine persönlichen Erinnerungen und damit deine individuelle Identität Leben für Leben wiederherstellt. Dieser Numen ist funktionell betrachtet dein „Hermes"—ohne göttlich zu sein, natürlich. Um die Geschichte der Menschheit von einer unvoreingenommenen und doch umfassenden Perspektive zu erzählen, benötigte ich die Persona eines immerwährenden Beobachters: ein historischer Zelig—die berühmte Woody-Allen-Figur—oder vielleicht ein Forrest-Gump-ähnlicher Protagonist, der an wichtigen historischen Momenten auftaucht, bereit ist, das Geschehen aufzuzeichnen und in der Lage ist, diese Berichte über mehrere Leben und Tode hinweg zu bewahren. 

 

 

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Bildnachweis: Zusammengefügte Bilder von den IMDb-Seiten der Filme „Zelig (1983) und „Forrest Gump (1994).

 

 

Du wurdest zu einer Art Backup-Laufwerk für das Jenseitige. Für unsere Musen sagen wir mal so. Ich kann hier nicht mehr über sie verraten, ohne die Handlung wegzugeben. Nur so viel: Da sie nicht an unseren weltlichen Angelegenheiten teilhaben können, zumindest nicht physisch, hast du als ihre Augen und Ohren fungiert. Aber dadurch bist du auch zum menschlichsten aller Menschen geworden. Das ist es, was deine Geschichte so verblüffend macht. 

 

Zunächst habe ich versucht, deine außergewöhnliche Objektivität zu begreifen, was wohl daraus resultiert, dass du bereits so viele Leben gelebt hast. Es schien beinah gottähnlich zu sein. Als ich dann aber deine zahlreichen „Wiedererscheinungen“ in Betracht zog, wurde mir klar, dass du die perfekte Vorlage dafür bist, was es bedeutet, Mensch zu sein. Ich hatte es nicht so geplant. Aber mein Gedankenexperiment hat es offengelegt. Hier war jemand, der in jede erdenkliche Kultur, Gesellschaft und Tradition hineingeboren worden war und sie aus erster Hand miterlebte; der zu einem bestimmten Zeitpunkt jedem Stamm, jeder Rasse, Hautfarbe, Kultur, jedem Glauben, jeder Sprache, jeder Nationalität, ethnischen Gruppe, Klasse, Kaste, jedem Geschlecht, jeder sexuellen Orientierung und Identität angehörte; jemand, der die Höhen und Tiefen der Menschheit miterlebt, mitgefeiert und mitgelitten hat. Du bist mein 'Jedermann'.“

 

 

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Bildnachweis: „Der vitruvianische Mensch“ von Leonardo da Vinci, um 1490. Gallerie dell'Accademia, Venedig.

https://vitruvianmanquest.org

 

Kayin: „Jedermann? Das ist ein hoher Anspruch. Finde einen Schauspieler, der 'Jedermann' spielen kann!”

 

Arnold: „Absolut, Jedermann. Jemand, der nicht nur versteht, was wir sind, sondern auch, wer wir versuchen zu sein. Oder zu werden. Nur so eine Person kann wissen, ob wir dem Untergang geweiht oder es wert sind, gerettet zu werden. Ob wir uns selbst retten können, vor uns selbst. Lass mich doch diese Interview-Frage umdrehen. Sag mir, Kayin, können wir uns selbst retten?“

 

Kayin: „Du hast mich zu einem Skeptiker gemacht. Demnach sollte ich keine konkreten Vorhersagen machen. Aber ich könnte vielleicht eine Andeutung wagen. Ich glaube, die Antwort findet sich im Band 4, Palast der Reue. Weigerst du dich deshalb, es fertigzuschreiben?“ 

 

Arnold: „Im Gegenteil, das Ende ist bereits geschrieben. Sonst säßen wir ja nicht hier in der Tarverne ‘Zum Letzten Schlamassel’. Es ist nur die Art und Weise, die uns an diesen Ort führt, die ich noch nicht vollständig ausgearbeitet habe, oder vielmehr einige ihrer Stufen. Wie Wittgensteins Leiter müssen wir sie erst erklimmen, bevor wir sie wegwerfen können. Anders ausgedrückt: Es hat keinen Sinn, eine Pointe ohne den Witz zu erzählen. Außerdem habe ich mir versprochen, den Band 4 erst dann fertigzustellen, wenn die vorherigen Bände draußen sind.“

 

Kayin: „Nun, Band 1 sollte ja schon bald fertig sein, wie mir gesagt wurde. Eliza sieht toll aus in ihrer roten Perücke als AušrinÄ—s Double. Der Rotschopf wird bereits ein bisschen neidisch, sagt Setenay, so ungefähr—‘Warum kann ich mich nicht selbst cosplayen?'”

 

Arnold: „Ha, da wird Eliza ihren Spass daran haben, wenn sie das hört. Sind unsere glorreichen Todesengel in der Nähe?” 

 

Kayin: „Das sind sie, die im Kontrollraum kichern. Und damit sind wir am Ende des Podcast angelangt. Danke, dass ihr zugehört habt. Und danke dir für deine ehrlichen Offenbarungen. Damit verabschiedet sich hiermit euer 'Jedermann'. Bis wir uns wieder treffen zu einer weiteren Runde von 'Eins-zu-Eins mit meinem Schöpfer'.”​​​

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Eins-Zu-Eins mit Meinem Schöpfer

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